Intensiver EDR-Studientag zum Thema Demokratiebildung

Autor Kurt Taller aka. Retrogott beim Studientag der Ems Dollart Region

In der Ludgerusschule in Rhede (Ems) fand jetzt der 33. Studientag der Ems Dollart Region (EDR), der sich dem zentralen Thema „Demokratiebildung“ widmete.

Die Veranstaltung brachte erneut Lehrkräfte, pädagogische Fachkräfte sowie Bildungsakteur*innen aus dem deutsch-niederländischen Grenzgebiet zusammen.

Im Fokus des Tages stand die Frage, wie demokratische Werte in Schulen, Bildungseinrichtungen und der Gesellschaft langfristig gestärkt werden können – gerade angesichts zunehmender rechtsextremer Tendenzen und wachsender Diskriminierungen. Die Teilnehmenden erhielten nicht nur theoretische Impulse, sondern auch praxisnahe Strategien, um junge Menschen für Vielfalt, Respekt und konstruktiven demokratischen Dialog zu sensibilisieren.

Im Vormittagsprogramm war der niederländische Kinderbuch-Autor Pim Lammers zu Gast und erläuterte, wie er queere Themen in seinen Büchern sichtbar macht. So spielen in seinen Werken auch Themen wie Transsexualität, Regenbogenfamilien und non-binäre Menschen eine wichtige Rolle. Kindern solle deutlich werden, wie vielfältig die Welt ist – vor allem auch, damit sie sich selbst in der Literatur wiederfinden können: „Kinderbuchliteratur ist ein wertvolles Mittel, Empathie zu wecken.“ Oft geschieht das bildhaft. In seinem Buch „Het lammetje dat een varken is“ („Das Lamm, das ein Ferkel ist“) geht es zum Beispiel um Transsexualität.
Lammers war wegen seiner Veröffentlichungen in der Vergangenheit sogar Morddrohungen ausgesetzt.

Bewegend war auch der Vortrag von Autor Kurt Tallert, der als Rapper unter dem Namen „Retrogott“ Bekanntheit erlangte. In seinem Buch „Spur und Abweg“ erzählt Tallert die Geschichte seines Vaters, der als Halbjude von den Nazis verfolgt wurde, und verbindet diese Familiengeschichte mit einer persönlichen und gesellschaftskritischen Auseinandersetzung über Erinnerung, Vergangenheit und deren Auswirkungen auf nachfolgende Generationen. Beim Studientag erläuterte er unter dem Titel „Zuhören als Demokratieerhalt“, wie das Erinnern an den Holocaust eine moralische Grundlage für demokratische Erziehung bilden kann. Tallert erläutete eindrücklich, dass das Weitertragen von Zeitzeug*innen-Erfahrungen nicht nur historisch bedeutsam ist, sondern als aktive Form demokratischer Verantwortungsübernahme verstanden werden sollte. Der Holocaust habe gezeigt, wohin die Auflösung gemeinsamer Normen, die Entmenschlichung gesellschaftlicher Gruppen und das Versagen individueller Verantwortung führen können. Tallert macht deutlich, dass jede Diskussion über Freiheit und moralische Orientierung in Deutschland untrennbar mit der Verpflichtung verbunden ist, diese Vergangenheit ernst zu nehmen und aus ihr bleibende Konsequenzen für Gegenwart und Zukunft zu ziehen.

Darüber hinaus bot der Studientag zwei Workshop-Runden an, in denen Teilnehmende über Methoden reflektierten, mit denen diskriminierende oder demokratiefeindliche Äußerungen im Schulalltag konstruktiv thematisiert werden können. Ziel war es, nachhaltige Handlungskompetenzen zu schaffen, damit Lehrkräfte nicht nur intervenieren, sondern demokratische Kultur aktiv mitgestalten können.
Themen der Workshops waren u.a. „Jugend und Rechtsextremismus“, „Mythos Neutralität“ oder „Demokratiebildung im Fremdsprachen-Unterricht“.

Vincent ten Voorde, Geschäftsführer der EDR, hatte zum Start in seiner Begrüßungsrede die Bedeutung des EDR-Studientags und die Demokratiebildung unterstrichen: „Demokratiebildung ist keine einmalige Aufgabe, sondern eine dauerhafte gemeinsame Aufgabe – wir als EDR stehen für eine Region, in der kultureller Austausch und Vielfalt gelebt werden.“

Der 33. EDR-Studientag war zuvor mit einer Gesangs- und Tanzeinlage von Schüler*innen der Ludgerusschule eröffnet worden.
Ermöglicht wurde die Organisation des Studientags durch die Unterstützung der Niedersächsischen Staatskanzlei.

 

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